Am Donnerstag waren wir zur Gast bei der Stuttgarter Handwerkskammer zu einem spannenden Vortrag. Rainer Reichhold, Präsident der Stuttgarter Handwerkskammer und des Baden-Württembergischen Handwerkstages, informierte uns über die Arbeit und Herausforderung dieser Einrichtungen. Außerdem erstattete uns der Governor Harmut Zwissler einen Besuch.
Die Handwerkskammer Stuttgart ist als berufsständische Organisation zuständig für 30.000 Mitglieder aus 133 Berufen. In Baden-Württemberg gibt es rund 133.000 Handwerksbetriebe, die insgesamt 90 Milliarden Euro Umsatz generieren und damit sogar die Sondermaschinenbau- und Automobilindustrie in den Schatten stellen.
Zu den Hauptaufgaben der Handwerkskammer gehören neben Lobbyarbeit, auch das Fördern des lebenslangen Lernens. Verschiedenste Fortbildungsangebote, Schulungen und Qualifikationsseminare gehören genauso zum Tagesgeschäft wie das Werben für den Handwerksberuf bei Schulabsolventen. Generell ist Nachwuchs ein wichtiges Thema für die Handwerkskammer. In den letzten Jahren wurde vermehrt in eine Imagekampagne und Besuche in Schulen investiert. Besonders die Vielfalt der Angebote an die Schüler zu bringen liegt Rainer Reichhold am Herzen.
Warum bleiben so viele Stellen jedoch frei fragen wir? Das war wohl nicht immer so. Die Anzahl der Ausbildungsplätze über die Jahre folgt einem wellenförmigen Verlauf. Momentan ist ein Hoch zu verzeichnen – viele Betriebe wollen ihren Nachwuchs selber erziehen, weshalb in den letzten Jahren viele Ausbildungsstellen geschaffen wurden. Der Trend kann und wird in Zukunft wieder umschlagen. Ein weiteres Problem ist die Flexibilität bei Wohnortsuche, für manche Berufe muss in Kauf genommen werden den Wohnort zu wechseln.
Ob Flüchtlinge da Abhilfe leisten können? Der Flüchtlingszustrom kann maximal das Problem lindern, meint Rainer Reichhold. Allerdings werden zuerst Sprachbarrieren abgebaut werden müssen, um Flüchtlinge einer Ausbildung zuführen zu können. Erst in 2-3 Jahren könnten auf diese Weise um die 300 Stellen besetzt werden. Ein Vorschlag wäre junge Menschen aus wirtschaftsschwachen Regionen durch ein spezielles Zuwanderungsgesetzt gezielt für eine Ausbildung in Deutschland zu gewinnen.
Ein weiteres akutes Problem stellt die Betriebsnachfolge dar. 1/3 der Geschäftsinhaber ist z.Z. über 55 Jahre alt. 280 Betriebe stehen aktuell zur Übergabe, jedes Jahr kommen 70 neue dazu. Die Handelskammer hat beratende Angebote zur Finanzierung eines Einstiegs oder einer Übernahme.
Auch Digitalisierung kam zur Sprache. Rainer Reichhold sieht da momentan kein Problem. Ein Handwerk wird durch äußere Umstände gezwungen mit der Zeit zu gehen, ob bei dem Einsenden der Steuererklärung oder bei der Bedienung eines modernen Telefons. Allerdings wurde auch angemerkt, dass die Region Stuttgart z.Z. kein Hightech-Industriestandort ist. Das hat schon allein damit zu tun, dass in Deutschland die Einrichtung von öffentlichen WLAN-Netzwerken nicht ohne Weiteres geht.
Abgeschlossen wurde der Abend mit Vesper und einer lockeren Diskussionsrunde sowie einer kleinen Führung durch den Büroraum von Rainer Reichhold. Alles in allem ein sehr informatives und interessantes Meeting.
Kommentare sind geschlossen.